Dienstag, 4. Dezember 2012
Der kleine Mann - fehlende Rollenvorbilder?
Vor einigen Wochen las ich das neue Buch von Ildiko von Kürthy, in welchem sie über ihre Schwangerschaft und das erste Jahr mit ihrem Kind berichtet. Eine bestimmte Überlegung kam darin mehr am Rande vor, beschäftigt mich aber seither. Die Autorin überlegte, ob es für einen Jungen überhaupt noch passende Rollenvorbilder gibt auf seinem Weg zum erwachsenen Mann.

Nun, klar ist eins: Das Wort Feminismus ist geläufig und die meisten Menschen, denen man auf der Straße begegnet, werden auch das eine oder andere dazu sagen können. Dass sich Frauen ihre heutigen Rechte hart erkämpft haben, ist unumstritten. Auch das Rollenbild der Frau hat sich stark gewandelt. Liest man einen Roman aus den 1980er Jahren wird man meist noch auf das Rollenmodell "Starker Mann - naive Frau" treffen. Doch allein ein Blick in die Buchhandlungen genügt, um anschaulich zu machen, dass starke Frauen heute mehr denn je gefragt sind. Niemand wird abstreiten, dass es eine fantastische Zeit ist, um eine Frau zu sein. Man kann werden, was man will, sowohl beruflich als auch privat. Konventionen und rechtliche Einschränkungen sind so weit aus dem Weg geräumt, dass es tatsächlich möglich ist, sich als Frau selbst zu erfinden.

Bis zu dem genannten Absatz in diesem Buch kam mir nie der Gedanke: Und was bleibt für die Männer übrig?
Und für mich viel bedeutsamer: Welches Rollenmodell, welche Werte und Eigenschaften werden für meinen Sohn relevant sein auf dem Weg zum Erwachsenen?
Ich glaube nicht, dass der Umkehrschluss zu den ganzen Feministinnen bedeutet, dass Männer "verweichlichen". Wenn Frauen unterdrückt waren, waren Männer dann die Unterdrücker? Die Ernährer der Familie, die Oberhäuper selbiger, die Dominanten? Das klingt alles wenig positiv.
Ich muss ehrlich sagen, ich lehne Sprüche wie "Jungs weinen nicht" kategorisch ab, denn der harte Mann muss nicht sein und ist eine überholte Vorstellung.
Ist es nicht vielmehr so, dass im Grunde sowohl Anspruch als auch Verteilung der Lebensaufgaben gleichmäßiger zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden? Vielleicht ist das ja kein Verlust für das männliche Geschlecht, sondern eher ein Gewinn. Wenn ein Mann z.B. nicht mehr alleine für den Lebensunterhalt seiner Familie verantwortlich ist, nimmt das viele Sorgen. Wenn auch ein Mann sich an der Kindererziehung verstärkt beteiligt, festigt das sehr wahrscheinlich seine Beziehung zu den Kindern und dadurch die Bande, welche die ganze Familie zusammenhalten.

Diese Überlegungen stagnieren an einem gewissen Punkt, denn diese ganze Entwicklung ist gesellschaftlich noch nicht abgeschlossen und wird es sehr wahrscheinlich auch noch nicht sein, wenn mein Sohn erwachsen ist.
Ich verbleibe derweil mit der Überzeugung, dass mein Sohn nicht unbedingt viele Rollenvorbilder braucht, um ein starker, selbstbewusster Mensch zu werden. Und streiche bis dahin Aussagen wie "Jungs weinen nicht" und "Ein Krieger kennt keinen Schmerz" aus meinem Vokabular. Sie haben, wie die Romane aus den 80er Jahren Staub angesetzt und sind muffig geworden - genau richtig zum entsorgen.

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Montag, 3. Dezember 2012
Die Technisierung - Verlust von Kultur?
Eigentlich habe ich mich mit knapp 29 Jahren nicht für besonders alt gehalten. Doch mit einem Kind denkt man darüber nach, wie die eigene Kindheit und Jugendzeit war. Dieser Gedanke kam mir neulich, als ich auf meinem Smartphone eine SMS tippte und Junior ganz interessiert zuschaute. Plötzlich war er da, ein eigentlich absurder Gedanke: "Mein Kind wird keine Telefonzellen kennenlernen!"

Es ist nicht unbedingt die Telefonzelle selbst, die bei diesem Gedanken die tragende Rolle spielt, sondern alles wofür sie steht. Ich hatte meine Teeniezeit in den 1990er Jahren. Mein erstes Handy mit 17. Das heißt, wenn ich mit 12/13 Jahren irgendwo unterwegs war und musste zu Hause anrufen oder wollte unbedingt gleich mit einer Freundin reden, musste ich in eine Telefonzelle gehen. Diese waren damals die einzige Möglichkeit, von unterwegs jemanden zu erreichen. In der Schule hatte ich immer 30 Pfennig in der Tasche, falls der Bus nicht kam und ich meine Mutter anrufen musste.
...Ich erinnere mich daran, wie eine ganze Reihe Telefonbücher in der Telefonzelle hingen. Nennt mich sentimental, aber irgendwie ist es ein trauriger Gedanke, dass so etwas nie ein Teil des Lebens meines Sohnes sein wird.

Ich erinnere mich an eine Zeit ohne Handy. Ohne Internet, ohne Whatsapp und E-Mail. An eine Zeit, in der man nicht 24 Stunden am Tag für jeden erreichbar sein musste. Meine Schwester nimmt ihr Handy jeden Abend mit ans Bett. Als wir klein waren, hatten wir noch nicht mal ein schnurloses Telefon. Wenn in der Grundschulzeit eine Freundin anrief, blieb ich im Flur stehen zum telefonieren. Wird mein Kind die Freiheit zu schätzen wissen, die diese technischen Neuerungen mit sich bringen?
Ehrlich gesagt mache ich mir darüber Gedanken, denn ich kann mir nur schwer vorstellen, wie es für ihn sein wird, in einer Welt aufzuwachsen, in der ein Facebook-Profil zum Leben dazu gehört wie der Kakao morgens.
Eine Welt, in der man sich nicht am Tag vorher auf eine Uhrzeit und einen Treffpunkt einigen muss, weil man keine Möglichkeit hat, die Person zu erreichen falls sie nicht auftaucht.

Bin ich also ein Relikt? Wird es meinem Kind seltsam vorkommen, dass ich Lieder aus dem Radio auf eine Kassette aufgenommen habe? Wird es ihm so seltsam vorkommen wie mir die Vorstellung seltsam vorkam, dass bei meiner Mutter als Kind nur Samstags ferngesehen wurde und dass es dann auch nur drei Programme gab?

Ich gebe zu, es macht mir ein wenig Angst, so schlecht einschätzen zu können, wie sehr das Leben meines Kindes mit dem Internet verbunden sein wird und welche Gefahren darin stecken werden. Ich versuche noch auszuloten, wie ich ihn darin unterstützen kann, zu einem Menschen zu werden, der trotz des gesellschaftlichen Drucks fähig ist, eine von Medien unabhängige Person zu sein. Nicht dass er sich davon fernhalten soll, abr er soll unbedingt die Fähigkeit besitzen, zwischen virtuellem und der Realität zu unterscheiden.
Und vielleicht kann ich ihm auch die Vorteile vermitteln, die meine etwas unbequemere, aber dafür geschlossenere (im positiven Sinne, ich war verbunden mit realen Menschen, nicht mit der ganzen Welt) Kindheit und Jugend hatte.

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